Reis

Reis (Diri) gehört zu den Grundnahrungsmitteln von Santa Lemusa. Er wird zusammen mit Salat und Gemüse zu vielen Gerichten als Beilage gereicht. Die Küche der Insel ist aber vor allem auch berühmt für ihre verschiedenen Eintopfgerichte auf der Basis von Reis. Im Unterschied zur übrigen Karibik, wo in der Regel nur einfacher Langkornreis angebaut und verkocht wird, produziert Santa Lemusa fünf verschiedene Sorten Reis: Chavala, Diri Benis, Doubout, Lawouyé und Kratí.


Geschichte

Reis hat seinen Ursprung in China, er stammt vermutlich aus dem Mündungsdelta des Jangtsekiang Flusses. Vor 7000 Jahren gelang es dort zum ersten Mal, die Reispflanze zu kultivieren. Der Reis breitete sich allerdings erst 3000 Jahre nach seiner Entdeckung langsam über die Sumpfgebiete im Süden Chinas bis nach Norden hin aus. Wandernde Stämme brachten damals die Kunst des Reisbaus in Regionen, die man heute Thailand, Birma, Kambodscha, Vietnam und Malaysia nennt. Sehr früh schon hatte Reis als Nahrungsmittel in all diesen Gebieten grosse Bedeutung. Um 2800 v.Chr. soll der chinesische Kaiser Shen-nung im Rahmen des Frühlingsfestes den Reis gar persönlich angepflanzt haben.
Langsam breitete sich die Kunst des Reisanbaus westwärts aus. Über Persien gelangte der Reis um 1000 v.Chr. bis nach Ägypten. Zur Zeit von Alexander dem Grossen dann kam er von dort als Import nach Griechenland, Sparta und Rom. In Griechenland erhielt er auch seinen heutigen botanischen Namen: Oryza ist das griechische Wort für Reis. Zur Zeit von Julius Cäsar war Reis in Europa zwar allgemein bekannt, er wurde aber (ähnlich wie der Zucker) fast ausschliesslich als Medizin verwendet .
Ab etwa 700 n.Chr. brachten dann die Mauren das Wissen um den Anbau des Reises auch nach Spanien und Portugal. Die Entdeckung der Neuen Welt durch Columbus zu Ende des 15. Jahrhunderts ebnete der Rispe den Weg nach Amerika, wo 1647 erstmals Reis geerntet worden sein soll. Von Südamerika aus brauchte das Reiskorn nochmals 200 Jahre nach Nordamerika - bis schliesslich Anfang der 20. Jahrhunderts in Kalifornien erstmals bedeutende Mengen Reis geerntet wurden.
Wann auf Santa Lemusa das erste Reisfeld angelegt wurde, lässt sich nicht sicher sagen - wahrscheinlich aber schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Der Historiker Jean-Marie Tromontis vermutet, dass der Reis vielleicht schon Ende des 17. Jahrhunderts, sicher aber im 18. Jahrhundert auf der Insel verbreitet war. Seine Vermutung wird dadurch gestützt, dass es sehr viele alte, teils mündlich oder in Einzelfällen auch schriftlich überlieferte oder zumindest erwähnte Rezepte gibt, die auf Reis basieren.


Pflanze

Die Reispflanze ist eine einjährige Gräserart und ursprünglich eine Trockenpflanze. Erst im Verlauf der Jahrhunderte wurde sie durch Mutation zur Sumpfpflanze und verträgt heute extreme klimatische Bedingungen. Am besten gedeiht sie jedoch in feucht-tropischen Zonen, wo auch mehrere Ernten im Jahr möglich sind. Da Nassreis im Wasser stehen soll, werden entsprechende Terrains angebaut.
Die ausgewachsene Reispflanze kann bis zu 1.8 m hoch werden. Der Stängel hat 3 bis 4 Knoten, wobei die Blätter an den Knoten sitzen. Reis ist ein Büschelwurzler ohne Hauptwurzel. Es können jedoch 20 bis 50 Nebentriebe gebildet werden. Die Körner sitzen in den einblütigen Ährchen an der 20 bis 30 cm langen Rispe.


Anbau und Produktion

In vielen Gebieten dieser Welt wird der Reis auch heute noch meist traditionell in Handarbeit angebaut. Wenn die Schösslinge gross genug sind, werden die Felder mit Wasser geflutet und die jungen Pflanzen von Hand pikiert. Je nach Sorte stehen die Rispen 3 bis 9 Monate im Wasser. Von der Blütezeit an werden die Felder nicht mehr geflutet und manchmal auch die Dämme angestochen, damit das Wasser abfliesen kann.
Sobald der Reis voll ausgereift ist, wird er von Hand geerntet und zum Trocknen ausgebreitet. Ist er trocken genug,, muss er wie alles Getreide gedroschen werden, um die Körner aus den Ähren zu lösen. Weizen und Roggenkörner allerdings fallen dabei aus den Ähren und Spelzen. Deshalb können diese Getreide auch sofort weiterverarbeitet oder gegessen werden. Reiskörner dagegen sind mit den äusseren harten «Schutzblättchen» so fest verwachsen, dass die Körner beim Dreschen mitsamt diesen Spelzen aus den Ähren fallen. Der gedroschene Rohreis (Paddy-Reis) muss also zusätzlich von den Spelzen befreit werden. Die entspelzten Körner sind dann aber immer noch von einem Silberhäutchen umschlossen. In den meisten Reisanbauländern dieser Welt wird der Reis so als Cargo-Reis verschifft. In den Importländern kommen dann nur kleine Mengen davon als Naturreis in den Handel. Der grösste Teil wird in Reismühlen weiter geschliffen (poliert) und zu Weissreis oder Parboiled Reis verarbeitet.
Da das Reiskorn aus mehreren Schichten mit unterschiedlichsten Nährstoffen und Nährstoffgehalten besteht, werden durch das Schleifen auch der Geschmack, der Nährwert und die Haltbarkeit beeinflusst. Es ist deshalb wichtig, die verschiedenen Bearbeitungstypen zu unterscheiden.


Bearbeitungstypen

Rohreis (Paddyreis): Ungeschälter, dunkelfarbiger Reis. Biologisch hochwertig (Vitamine B1, B2, Mineral und Ballaststoffe). Rohreis ist kräftig im Geschmack, hat dafür aber eine längere Garzeit.
Brauner Reis (Naturreis oder Vollkornreis): Bei diesem Reis wird nur die äussere unverdauliche Spelze entfernt - das Korn wird geschliffen bis die gelbrötlichen oder gelbgrünlichen Reiskörner noch von einem Silberhäutchen umschlossen sind. Die äusseren Schichten des Reiskorns werden dabei nicht entfernt. Naturreis enthält wertvolle Ballaststoffe, Kohlenhydrate, Fette, Proteine, Mineralien und Vitamine (2,2 % Fett, Vitamine B1, B2). Er hat oft ein nussartiges Aroma.
Weisser Reis (Polierter Reis): Dieser Reis wird geschliffen, (poliert) bis er weiss ist. Dabei werden die eiweissreiche Aleuronschicht (das Silberhäutchen) und der nährstoffreiche Keim abpoliert. Dadurch wird die Haltbarkeit erhöht, der Gehalt an Vitamin B aber vermindert, der Reis verliert den grössten Teil der Nährstoffe (0,6 % Fett) und hat wenig Eigengeschmack. In einigen Ländern (etwa den USA) werden die Körner, um den Nährstoffverlust auszugleichen, nach dem Polieren mit Eisen, Niacin und Vitaminen angereichert.
Parboiled Reis (oder Vitaminreis): Um den Reis weiss und trotzdem nährstoffreich zu erhalten, hat man in Asien ein besonderes Verfahren entwickelt, das Vitamine und Mineralien weitgehend erhält: das Parboiling-Verfahren. Entspelzter aber ungeschliffener Reis wird eingeweicht und mit Dampfdruck so behandelt, dass die in der Aleuronschicht enthaltenen, wasserlöslichen Nährstoffe, Vitamine und Mineralien mit Druck in das Innere des Korns gepresst werden können. Erst danach wird der Reis poliert, die Vitalstoffe bleiben so weitgehend erhalten. Bei diesem Prozess wird das Korn leicht transparent und erhält eine gelbliche Färbung. Beim Kochen wird der Reis weiss. Er hat ein feineres Aroma als brauner Reis und klebt normalerweise nicht zusammen. Sein Ballaststoffanteil ist aber sehr gering. Es gibt auch braunen Parboiled Reis, der Kleie und Keime enthält und daher auch ballaststoffreich ist.
Glasierter Reis: Dieser Reis wird mit einer Glasur aus Stärkesirup und Talkum (Mineralpulver) überzogen. Dadurch hat er ein schöneres Aussehen und eine höhere Haltbarkeit, der Nährwert wird dagegen verringert.
Minutenreis: Dieser Reis ist geschliffen, poliert und vorgekocht. Gegart ist er körnig und locker, hat jedoch kaum Nährstoffe und wenig Aroma.
Puffreis: Dieser Reis wird gequollen und mit Überdruck gedämpft. Er hat kaum Aroma, ist jedoch leicht verdaulich.


Sorten

Weltweit gibt es insgesamt etwa 8000 verschiedene Sorten Kulturreis, die sich hauptsächlich auf zwei Arten verteilen: Der am weitesten verbreitete Oryza sativa (der sogenannt Weisse Reis) und der hauptsächlich in Afrika populäre Oryza glaberrima (auch Afrikanischer Reis). Oryza glaberrima ist eine jüngere Art und reagiert empfindlicher auf klimatische Veränderungen.
Die Grundsorten von Oryza sativa teilen sich in zwei Gruppen auf: Die Indica-Gruppe beinhaltet nur Langkornreis (zum Beispiel Patna, Duftreis, Chavala), die Japonica-Gruppe beinhaltet Mittel- und Rundkornreis (zum Beispiel Klebereis, Mochireis, Ribereis). Einfacher als diese teils kulturell bedingte Unterteilung ist die Unterscheidung nach Grösse, Form und Beschaffenheit der Körner.
Wildreis (auch Indianerreis, Wasserreis, Tuscarora) ist aus botanischer Sicht kein Reis, sondern der Same einer Wasserpflanze (Zizzania aquatica). Wilder Reis gehört zwar wie Reis zur Familie der Gräser, aber nicht zur selben Gattung. Der aus Nordamerika stammende Wildreis wächst im Sumpf und Uferbereich von Süsswasserseen. Das Rispengras wird von Kanus aus geerntet. Mit langen Stangen werden die bis zu drei Meter hohen Halme in das Boot gezogen und die Körner aus den Ähren geschlagen. Der Anbau der einjährigen Pflanze ist kostspielig: Sie reagiert empfindlich auf Veränderungen des Klimas oder Wasserstandes und Parasiten. Wildreis wird auf Santa Lemusa nicht angebaut.


Reisproduktion auf Santa Lemusa

Die meisten Reissorten von Santa Lemusa werden auf eher kleinen Terrains im Innern des Landes angepflanzt - nur Lawouyé wächst in Feldern nahe der Küste. Es gibt etwa 10 Bauern auf der Insel, die hauptsächlich oder zumindest teilweise Reis produzieren. Da das Klima auf der Insel für Reis ideal ist, können die meisten Sorten zwei bis drei Mal pro Jahr geerntet werden. Nach der Ernte, die auf Santa Lemusa in sämtlichen Bauernbetrieben immer noch von Hand geschieht, wird der Reis (meist zu Garben gebunden) in der Sonne zum Trocknen ausgebreitet. Ist er trocken genug, wird er von den Bauern selbst gedroschen.
In den grossen Reis-Exportländern wird dieser gedroschene Rohreis (Paddyreis) dann maschinell von den Spelzen befreit und als sogenannter Cargo-Reis verschifft. Da auf Santa Lemusa wie auch auf den meisten anderen Karibik-Inseln mit Reisanbau (Puerto Rico, Cuba, Trinidad, Dominikanische Republik) fast die gesamte Ernte im Land selbst verzehrt wird, wird der Reis auch auf der Insel selbst weiterverarbeitet. Dies übernimmt auf Santa Lemusa die kleine und wie eine Kooperative organisierte Reisfabrik Dirilò (kreolische Bezeichnung für Goldener Reis oder Reisgold). Die Bauern bringen den gedroschenen Reis in die Fabrik, wo er von den Spelzen befreit, je nach Sorte poliert und dann kochfertig an die Detailhändler der Insel verkauft wird. Das Exportgeschäft macht nur einen sehr geringen Teil des Umsatzes aus. HOIO importiert den Reis in grossen Säcken und packt ihn in der Schweiz zwecks besserer Haltbarkeit in Dosen ab.

Typ Form Sorten Aussehen und Charakter Verwendung
Rundkorn 5 mm lang
3 mm breit
Milchreis, Mochireis, Nishiki,Originario Kalkig-weiss, weich, nimmt viel Wasser auf und quillt stark an,
wird weich und klebrig
Milchreis, Suppen, Süsspeisen etc.
Mittelkorn 7 mm lang
3 mm breit
Arborio, Carnaroli, Diri Benis, Klebereis, Lawouyé, Ribe, Sushireis, Vialone Glasig mit weisser Perle im Inneren, mittelhart, nimmt viel Wasser auf, quillt stark an, bleibt lange ziemlich körnig Risotto, Pilaw, Reisgerichte mit
Bouillon und Sauce etc.
Langkorn 9 mm lang
2 mm breit
Basmati, Blue Bonnet,
Carolina, Chavala, Doubout, Duftreis, Jasminreis, Patna
Glasig-durchsichtig, hart, nimmt weniger Wasser auf, quillt mässig an, bleibt körnig Trockenreis, indonesische Reisgerichte, Reissalat und Füllungen etc.



Das erwürdige Verwaltungsgebäude der Reisfabrik Dirilò stammt aus dem 19. Jahrhundert und wird sorgfältig in einem guten Zustand gehalten. Das kleine, eher genossenschaftlich organisierte Unternehmen ist so stolz darauf, dass es das Gebäude auch immer wieder auf seinen Werbeplakaten und Reklamepostkarten abbildet - wie hier mit der Flagge von Santa Lemusa und dem kreolischen Spruch «Dirilò - epi an kontan» («Dirilò - et je suis content», «Dirilò - und ich bin zufrieden»).