Barbara Basting

Museen im Netz
(Stand: 12.99)

Seit das World Wide Web besteht, versuchen auch Museen zunehmend dessen Möglichkeiten für sich auszuloten und zu nutzen. Manche Institute stecken dabei noch in den Kinderschuhen und bieten wenig mehr als eine Online-Version der sonst mittels Prospekten verbreiteten Informationen an. Andere, darunter viele amerikanische Institute, entwickeln immer raffiniertere netzspezifische Formen, mit denen das Museum auf neue Weise erschlossen wird. In ihnen wird beispielsweise die Sammlung samt jener Exponate vorgestellt, die sonst nur im Depot zugänglich sind. Die Homepage kann aber auch der Ausgangsort für virtuelle, oftmals audiovisuelle Führungen durch das Museum sein. Gute Beispiele sind die 'Webtours' der National Gallery of Art, Washington www.nga.gov oder des Institute for Contemporary Art, London www.illumin.co.uk/ica. Darüber hinaus gibt es inzwischen eine Reihe von virtuellen 'Museen', die als solche nur im Web bestehen. Einige von ihnen ' etwa 'LeWebMuseum' (früher 'LeWebLouvre'), sunsite.unc.edu/louvre/ , eine der meistbesuchten Adressen im Netz, verfügen über keine eigene Sammlung, sondern greifen auf Werke aus Museen zurück, um diese in kommentierter Form zu präsentieren. Auch gibt es Seiten, die Netzkunst 'sammeln', das heisst, sie halten die entsprechenden Verbindungen zu Homepages von Künstlern auf ihrem Server aktiv und erfüllen Portalfunktionen für Benutzer.
Denn neben den Museen haben auch die Künstler das Internet schon längst für sich entdeckt. Einige besonders avancierte Museen, vornehmlich Universitätsmuseen mit angegliederten Künstlerprogrammen, tragen dem Rechnung. Steve Dietz, Leiter der Abteilung für Neue Medien am Walker Art Center (Minneapolis), gibt nun angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen von Kunst im Internet einen grundlegenden und kritisch kommentierenden Überblick zu Fragen rund um die Besonderheiten der Präsentation von Kunst im Netz ' übrigens nur Online (Steve Dietz, 'Curating (on) the Web', www.walkerart.org/gallery9.
Dietz geht davon aus, dass in Zukunft die gerade im Kulturbereich immer noch weitverbreitete Skepsis gegenüber dem Web ebenso wie die anfängliche Euphorie hinsichtlich dieser Kommunikations- und Informationsform zunehmend einer grösseren Selbstverständlichkeit in ihrer Anwendung weichen wird. Vor diesem Hintergrund interessiert ihn, in welcher Weise das Web Museen in ihrer kulturbewahrenden und -vermittelnden Rolle unterstützen, ergänzen und bereichern kann.
Profilieren können sich seiner Ansicht nach dabei unter anderem jene Häuser, die die wachsende Bedeutung von diversen Selektions- und Filtermechanismen im Web rechtzeitig erkennen. Wenn eine Seite im Netz ihren Besuchern etwa viele Links bietet, diese aber weitgehend unkommentiert lässt, sie weder in einen Kontext stellt noch regelmässig betreut, verliert dieser Service leicht an Wert für die Benutzer. Manchmal genügt es schon, wenn die Auswahl durch einen Kurator oder eine Institution eine gewisse Qualität garantiert. Der Autor führt als positive Beispiele die Kunstlinks des Whitney Museum www.echonyc.com/~whitney/weblinks/main.html und des Musee d'art contemporain de Montreal an http://media.macm.qc.ca/homea.htm. Die alleinige Anhäufung von Verweisen, denen nachzugehen Interessenten viel Zeit kostet, wird dagegen immer unattraktiver. (Dietz hat seinen Überblick übrigens selber mit zahlreichen Links zu aufschlussreichen Beispielen versehen).
Besonderes Augenmerk schenkt der Medienexperte der Kunst im Web und den in ihrem Gefolge entstehenden virtuellen Museen, die Künstler teilweise gezielt zur Zusammenarbeit einladen oder von diesen selber organisiert werden. Auch hier wird man bei der Suche nach Pionierbeispielen am ehesten auf amerikanischen Sites fündig, etwa in der Leonardo Electronic Almanac Gallery http://mitpress.mit.edu/e-journals/Leonardo/; im deutschsprachigen Raum sind neben der Medienhochschule Köln vor allem das ZKM in Karlsruhe www.zkm.de und die 'Ars electronica' Linz www.aec.at zu nennen. Zu den Web-Klassikern gehört das in Insiderkreisen legendäre 'Adaweb', das nicht mehr aktiv ist und mittlerweile in ein virtuelles Museum, nämlich die von Dietz betreute 'Gallery 9' des Walker Art Centers, eingegangen ist www.walkerart.org/gallery9/, sowie 'TheThing' www.thing.net/. Zwar besteht unter Museumskuratoren, wie der Autor bemerkt, noch längst kein Konsens darüber, ob der Cyberart schon die Würde einer eigenständigen Kunstform zuzusprechen sei. Doch lässt sich nur schon anhand der von Dietz angegebenen Beispiele leicht überprüfen, dass die Künstler selber sich um solche Etikettierungen nicht scheren und das Web für einen spannenden Aktionsraum halten, der von den herkömmlichen institutionellen und kommerziellen Zwängen noch weitgehend unbelastet scheint und überdies den Reiz alles Neuen für sich hat. Dass Zugangsbeschränkungen sowohl für Künstler als auch für deren Publikum entstehen, wird dabei zwar ausgeklammert; man denke nur an die Hochrüstung von Hard- und Software, die manche Sites voraussetzen. Doch wird in dem Masse, wie Computer im Alltag immer selbstverständlicher sind, gerade die kritische, kreative Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Beschränkungen durch Technologien und durch das Web von vielen Künstlern als Herausforderung verstanden. Sie versuchen, auf oftmals spielerische Weise substantielle Gegenpositionen zu den heute weithin dominierenden technokratischen und kommerziellen Interessen am Cyberspace zu entwickeln. Dabei steht Dietz den vor allem anfangs in die Interaktivität gesetzten Hoffnungen eher skeptisch gegenüber; sie hätten sich mittlerweile deutlich relativiert. Hingegen verspricht er sich viel von einer ästhetisch und auch gesellschaftspolitisch reflektierten Aneignung des Web durch Künstler. Brauchbare Kriterien für Cyberart als 'vollständig neuer Kunstform' werden sich, daran hegt der Autor keine Zweifel, im Laufe dieses Prozesses herauskristallisieren.