Sprechende Körper werden gefressen
von Martin R. Dean
Immer wieder werden "Sprechende Körper" durch eine besondere,
durch ihre Gier gekennzeichnete Spezies von Menschen, meist Wissenschaftler,
aber auch Ethnologen und Schreibtischtäter und andere Würdenträger,
zum Schweigen gebracht.
Im Augenblick, wo ich dies niederschreibe, ereilen mich in dieser Hinsicht
besonders sprechende Meldungen aus Frankfurt. Absender ist ein gewisser
Ewald Volhard, die Depeschen stammen aus dem Jahre 1939 (!) und sind in
ihrer Beredtsamkeit zu überschätzen.
Genussucht
Die Baja versichern, es sei kein Fleisch so ausgezeichnet wie das von
Menschen, die Sande betrachten es als einen Leckerbissen und Lieblingsschmuck
der Tafel, bei den Pambio gilt es als Delikatesse, bei den Manjema ist das
einzige Motiv die entsetzliche Gier nach Menschenfleisch, die östlichen
Wadai schicken als besonderes Geschenk einen Knaben, auf dessen Haupt eine
hölzerne Mulde mit dem Messer liegt.
Als den Gerse Salz zum Geschenk gemacht wurde, schlachteten sie sofort ein
junges Mädchen, um das Gewürz nutzbringend zu verwenden, und als
man den Basuto Rinder gab, um ihnen das Menschenfressen abzugewöhnen,
erklärten sie nach einiger Zeit, sie wollten doch lieber Ochsenessen
aufgeben, da ihnen das Menschenfleisch besser schmecke.
Der Tikar-Häuptling, der Stammesgenossen kastrierte und mästete,
wurde bereits erwähnt. Bei den Baja isst der König nur Mädchen
und Frauen, kein Männerfleisch. Die Bangala wissen von einem ihrer
Häuptlinge, der früher sehr reich gewesen, jetzt dadurch ganz
arm geworden ist, dass er so viele nette fette junge Frauenzimmer zum Verspeisen
gekauft habe.
Bei einigen Kanaken der Gazelle-Halbinsel hatt sich die Menschenfresserei
zum wahren Sport ausgebildet. Ein Häuptling von der Blanchebucht ass
mit Vorliebe das Fleisch ungeborener Kinder und stellte zu diesem Zweck
schwangeren Frauen nach. Auf Ambrym liess sich ein vornehmer Mann abwechselnd
vom einen oder anderen Dorf seiner Einflusssphäre Menschen geben. Kinder
oder gut gemästete Jünglinge wurden wie Schweine an Stangen gebunden
ihm zugetragen. Auf Adoba liess sich ein Häuptling alle paar Tage ein
junges Mädchen schlachten, von dem er aber nur die Brüste gegessen
haben soll.
Ein sehr ausgeprägter gerichtlicher Kannibalismus wird von den Battak
auf Sumatra berichtet. Diebe, Ehebrecher, Landesverräter, Spione, Fahnenflüchtige,
ja selbst zahlungsunfähige Schuldner werden unter allerlei Zeremonien
gegessen. Die Battak behaupten, es bereite ihnen einen unvergleichlichen
Genuss, auf diese Art ihre Rache zu kühlen.
In Tibet sollen früher Kinder ihre verstorbenen Eltern verzehrt haben,
was als ein Akt der Kindesliebe galt, da man den Eltern kein anderes Grab
geben wollte, als den eigenen Leib. Später habe man diese Sitte aufgegeben
und nur noch aus den Schädeln der Eltern Trinkbecher hergestellt.
Die Kwakiutl setzen ihre Toten in Kästen auf Waldbäumen aus, wo
sie in der frischen Luft meist mumifizieren. Eine solche Leiche, und zwar
muss es die eines Verwandten sein, holt sich der Hamatsa, wenn er nach der
Initiation aus dem Walde zurückkehrt, vom Baum herunter, um sie nach
seinem Tanz zu verzehren. Von den Heliga, die die Leiche präparieren
müssen, wird die Haut um die Fuss- und Handgelenke abgeschnitten, damit
Hände und Füsse nicht gegessen werden, denn wer das täte,
würde augenblicklich sterben. Die Leiche wird in salziges Wasser gelegt,
dann nehmen die Heliga Ruten von den Schierlingstannen und stossen sie unter
die Haut, um das Leichenfleisch allmählich zu entfernen, bis nur noch
die Haut übrig bleibt. Danach wird der Körper auf die kleine Hütte
gesetzt, in der der Novitze im Walde lebt. Die Hände der Leiche hängen
herab. Ihr Bauch wird aufgeschnitten und mit Stöcken ausgeweitet. Der
Hamatsa macht dann ein Feuer unter der Leiche und räuchert sie. Vier
Tage vor seiner Rückkehr versammelt er alle alten Hamatsa um sich und
sagt ihnen: "Dies ist mein Essen auf der Reise, das Essen, das ich
erhielt von Baxbakualana Xiwae." Sie nehmen den Körper herab und
setzen ihn auf eine reine Matte. Jeder zeigt, was er essen will. |