ZUCKER UND RUM

Von der kann-la
bis zum wonm


Während Jahrhunderten stellten der Anbau und die Verarbeitung von Zuckerrohr die mit Abstand wichtigste Industrie der Karbik dar. Santa Lemusa hat zwar nie in einem Ausmass Zucker produziert wie etwa Martinique - dennoch spielte der Zucker eine gewisse Rolle und gehört auch heute noch zu den bedeutenderen Industriezweigen der Insel. Die Firma Dekolaj - sikri épi distilri produziert diverse Sorten Zucker und eine ganze Palette von Rum unterschiedlichster Qualität.



Ein Zuckerrohrfeld im Landesinnern. Die Pflanze kann bis zu vier Meter hoch wachsen.
(Bild APAL/Gisèle Nardin)



Geschichte des Zuckers

Das Zuckerrohr (Saccharum officinarum) stammt vermutlich ursprünglich aus Indien oder Neuguinea. Quellen belegen, dass Zuckerrohr schon seit mindestens 2500 Jahren bekannt ist. Schon im altindischen Sanskrit gibt es das Wort sarkara (mittelindisch sakkhara) für den Zucker als Produkt der Zuckerrohrpflanze. Alle vorderasiatischen wie auch europäischen Bezeichnungen für Rohrzucker gehen darauf zurück. Dass man in diesem Raum schon sehr früh die Gewinnung des Zuckers aus Zuckerrohr kannte, zeigen auch Überlieferungen, nach denen schon die Heerscharen Alexanders des Grossen (356 - 323 v.Chr.) auf ihren Feldzügen in Indien einem neuen Typ Honig begegneten, den man ohne Hilfe von Bienen aus einer Art Schilfrohr gewann. Vielleicht wurde die grobe, klebrige und goldbraune Masse deshalb bis ins Mittelalter hinein immer wieder auch als sal indicum (Salz Indiens) bezeichnet. Von Indien aus gelangte die Zuckerrohrkultur über Arabien ins Abendland. In der Antike wurde Zucker allerdings vorwiegend zu medizinischen Zwecken gebraucht - die Speisen und Getränke wurden mit Honig gesüsst. Bis ins Mittelalter hinein galt Zucker als Medizin oder als exotischer Luxus, den sich nur die Reichen leisten konnten.
Vermutlich waren die Araber die ersten, die Zuckerrohr in grösserem Ausmass anbauten und weiterverarbeiteten. Sie nutzen auch die von ihnen eroberten Länder als Anbaufläche und so kam der Zucker nach Spanien. Die Spanier waren im 8. und 9. Jahrhundert die ersten Europäer, die mit Zucker handelten. Der meiste Zucker wurde aber nach wie vor in der arabischen Levante angebaut. Um 900 wurde Venedig, das den europäischen Gewürzhandel kontrollierte, zu einem Zentrum für den Zuckerhandel. Von Venedig aus gelangte der Zucker nach und nach in das restliche Europa. Im 15. Jahrhundert wurde Zuckerrohr in Sizilien und auf der iberischen Halbinsel angebaut, wenig später auch auf den portugiesischen und den spanischen Inseln im Atlantik: Heinrich der Seefahrer (1394-1460), Sohn von König Johann I von Portugal, liess im Jahre 1420 Zuckerrohr von Portugal nach Madeira bringen - wenig später wurde Zucker auch auf den Kanarischen Inseln und den Azoren angebaut.
Von Spanien aus gelangte der Zucker in die Neue Welt. Es war Christoph Kolumbus (1451-1506), der Entdecker Amerikas, der für die weitere Verbreitung des Zuckerrohrs sorgte. Er selbst, mit einer reichen Dame aus Madeira verheiratet, befasste sich während seiner Aufenthalte auf der Blumeninsel immer wieder mit dem Zucker und dem Zuckerrohr. Als er dann am 12. Oktober 1492 auf den Bahamas, später in Kuba und Haiti landete, erkannte er schnell, dass hier ein ideales Klima für die Zuckerrohrpflanze herrschte. So nahm er auf seiner zweiten Reise Schösslinge des Zuckerrohrs mit und pflanzte sie erstmals 1494 in Haiti an. Wenig später wurde Zuckerrohr auch in der heutigen Dominikanischen Republik, dann auf Kuba und in Brasilien angebaut.
Nach Père Jean-Baptiste Labat wurde der Zucker im Jahre 1648 in den Antillen eingeführt - durch Holländer, die aus Brasilien flüchten mussten. Andere Quellen behaupten, der Zucker sei schon 1637 durch einen Pieter Blower ebenfalls aus Brasilien in die Antillen eingeführt worden. Die Beschreibung, die Labat zu Beginn des 18. Jahrhunderts von der Zuckerindustrie gibt, lässt erahnen, wie gut ausgebaut diese damals schon war. Labat nennt neun verschiedene Zuckervarianten und Nebenprodukte wie Sirup oder Tafia, also Rum.


Zucker auf Santa Lemusa

Auch auf Santa Lemusa wurde Zucker vermutlich schon ab Mitte des 17. Jahrhunderts angebaut - allerdings nie in einem Masse wie etwa auf Martinique oder Guadeloupe, wo die jährliche Produktion im Jahre 1835 ganze 36'000 Tonnen betrug. Wie auf den anderen Inseln waren es allerdings auch auf Santa Lemusa wohl hauptsächlich Sklaven, die in den Zucker-Plantagen arbeiteten - wobei ihre Zahl im Vergleich zur übrigen Karibik recht gering gewesen sein muss. Eine Tatsache, die Jean-Marie Tromontis zu der These verleitet hat, Santa Lemusa müsse ab dem frühen 18. Jahrhundert eine Art von Zufluchtsort für freigelassene oder gar geflüchtete Sklaven gewesen sein.
Am 5. Februar 1794 wurde in den französischen Kolonien erstmals die Sklaverei abgeschafft. Auf den meisten Inseln allerdings wurde dieser Schritt in die Humanität bald wieder rückgängig gemacht. Die definitive Abschaffung erfolgte dann erst am 27. April 1848 durch ein von Victor Schoelcher ausgearbeitetes Dekret. Im Unterschied zu den anderen Inseln wurde auf Santa Lemusa die Sklaverei nach 1794 nicht wieder eingeführt: Das dürfte seinen Grund eben gerade darin gehabt haben, dass die Zuckerindustrie auf der Insel nicht dieselbe Bedeutung hatte wie in den anderen französischen Kolonien - und es folglich gar nicht so viele Sklaven brauchte. Allerdings war Santa Lemusa so schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit einem Problem konfrontiert, das die anderen französischen Kolonien erst 1848 im vollem Umfang betraf. Die Abschaffung der Sklaverei machte die Suche nach billigen Arbeitskräften nötig - und also liessen sich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zahlreiche Inder vor allem aus den englischen Kolonien auf Santa Lemusa nieder.
Ende des 19. Jahrhunderts geriet die Zuckerrohr-Industrie der Karibik in eine enorme Krise. Die Ausbeutung der Zuckerrübe durch europäische Industrien wurde erheblich verbessert. 1850 noch wurden nur 16 Prozent allen Zuckers aus der Rübe gewonnen - 1880 waren es bereits 48 Prozent. Die Folge war ein völliger Preiszerfall, die wichtigste Industrie der Antillen schien am Ende. Paradoxerweise war es der Erste Weltkrieg, in dem ein Bedarf nach Rum bestand wie noch nie, der zusammen mit der Kontingentierung (zuerst des Rums, dann des Zuckers) zu einer allmählichen Erholung der Zuckerindustrie führte.



Zuckersirup ist ein wichtiger Bestandteil des berühmten Ti-Punch (sprich: tiponch). Jeder Bewohner von Santa Lemusa hat sein eigenes Rezept. Wer sich seinen eigenen Ti-Ponch mischen will, der folge der einfachen Formel CRS (citron, rhum, sucre): Man lege eine halbe Limette in ein Glas, gebe einen Esslöffel Zuckersirup (oder Kanklè) sowie einen halben Deziliter weissen Rum dazu und lasse die Mischung einige Minuten ziehen. Ti-Punch wird ohne Eis, dafür aber mit viel Ruhe getrunken.




Santa Lemusa war von diesen Entwicklungen nur indirekt betroffen. 1866 soll Frankreich mit der Insel einen Vertrag abgeschlossen haben, der als eine Art Versuch zu sehen ist, die Zuckerpreise zu regulieren. Mit diesem sogenannten Traité du sucre soll sich Santa Lemusa verpflichtet haben, keinen Zucker mehr für den Export zu produzieren - im Gegenzug dazu soll die Insel ihre Unabhängigkeit erhalten haben. Dieses Dokument ist leider verschollen und namhafte Historiker wie Jean-Marie Tromontis gehen ohnehin davon aus, dass die Insel ihre Unabhängigkeit schon zu einem viel früheren Zeitpunkt (nämlich im 18. Jahrhundert) erlangte (ob von England oder von Frankreich ist unbekannt, beide Kolonialmächte dürften Santa Lemusa im 18. Jahrhundert abwechselnd beansprucht haben). Bei dem erwähnten Traité du sucre wäre es demnach um einen gewöhnlichen Handelsvertrag gegangen. Noch im 19. Jahrhundert soll es auf Santa Lemusa drei Zuckerfabriken gegeben haben - heute existiert nur noch eine einzige Fabrik: Dekolaj.


Pflanze

Zuckerrohr (Saccharum officinarum) gehört zu der botanischen Familie der Gräser (Gramineae beziehungsweise Poaceae). Neben Mais und Getreide zählt Zucker mit einer Weltproduktion von 62 Millionen Tonnen Zucker pro Jahr zu den weltwirtschaftlich bedeutendsten Nutzpflanzen (55 Prozent davon werden aus Zuckerrohr gewonnen, den Rest liefert die Zuckerrübe).



Saccharum officinarum (Zuckerrohr) ist eine von zwölf Arten der Gattung Saccharum. Die Pflanze kann bis zu vier Meter gross und bis zu 20 Jahre alt werden. Sie wächst schilfartig und bildet bis zu zwei Meter lange, durch Kieselsäureeinlagerung raukantige Blätter. Ihre behaarten Blüten glänzen seidig und stehen in grossen, dichten Rispen zusammen. Aus wirtschaftlicher Sicht sind nur die Halme von Interesse. Die großen Zuckerrohr-Stängel spriessen aus knotigen, weit im Boden kriechenden Wurzelstöcken. Sie werden bis zu sieben Zentimeter dick und bestehen aus etwa zehn bis vierzig Zwischenknotenstücken, den sogenannten Internodien. Diese Internodien enthalten in bis zu zwei Dritteln ihrer Länge ein lockeres, süsses und saftiges Mark, dessen Zuckeranteil bis zu 18 Prozent betragen kann. Die Stängel sind leicht mit Wachs überzogen und erscheinen glänzend. Ihre Farbschattierung reicht sortenbedingt von hell-grün bis rot-braun.
Der hohe Zuckeranteil ist der Grund, weshalb einige Bewohner von Santa Lemusa so gerne auf diesen Stängeln herumkauen. Für Ungeübte ist das Kauen von Zuckerrohr weniger genüsslich, denn das Mark ist von einem Sklerenchymbündel durchsetzt, welches das Kauen unangenehm macht. Das Sklerenchymgewebe besteht aus Zellen mit stark verdickten Zellwänden, die vor allem der Stängelrinde als Festigungsgewebe dienen.
Man kann Zuckerrohr nicht wirklich als ein Gemüse im eigentlichen Sinn bezeichnen, denn Zuckerrohr dient fast ausschliesslich der Verarbeitung zu Zucker. Ursprünglich wurde Zuckerrohr aber nur angebaut, um das süsse und saftige Mark aus den frischen Rohren zu holen. Frisches Zuckerrohr gibt es auch heute noch rund um den Globus auf fast allen Märkten der Welt. Die reifen Rohre werden nach 9 bis 24 Monaten geerntet, wenn alle Blätter (mit Ausnahme der Wipfel) verwelkt sind. Die für den Gemüsehandel bestimmten Zuckerrohre werden auf eine bestimmte Länge zurechtgeschnitten und in Kisten versandt.


Produktion

Die Zuckerrohrpflanze ist sehr empfindlich und relativ pflegeaufwendig, das heisst sie muss regelmässig gewässert und gelegentlich auch gedüngt werden. Auf Santa Lemusa reift das Zuckerrohr 12 bis 18 Monate und wird zwischen Februar und Juni geerntet. Mit einer Machete wird die Pflanze in Bodenhöhe abgeschnitten, so dass neue Schösslinge gebildet werden können. Anschliessend werden die Blätter entfernt und die Stängel zerkleinert.
In der Raffinerie werden die zerkleinerten Stiele zwischen rotierenden Stahl-rohren gepresst, um so den schwärzlichen Zuckerrohrsaft herauszudrücken. Anschliessend wird Kalziumhydroxyd und Wasser oder sogenannte Kalkmilch zugesetzt. Diese Mischung durchläuft dann in einer Reinigungsanlage einen chemischen Prozess, wobei gröbere Verunreinigungen als Bodensatz ausfallen. Das Resultat ist ein Saft, dem nun in einer Verdampfstation der grösste Teil seines Wassers entzogen wird: Ein dicker, dunkelbrauner und süsser Sirup entsteht. Dieser wird nun in grossen Kochkesseln erhitzt und dabei bilden sich Kristalle - je grösser diese Kristalle sind, desto leichter fällt die weitere Verarbeitung. Der Zuckerkocher prüft die Masse deshalb regelmässig und entscheidet, wann die Kristalle zusammen mit der massecuite (Füllmasse) in die Zentrifugen weitergeleitet werden sollen. Die Zentrifugen stellen Metallkörbe dar, die sich mit hoher Geschwindigkeit drehen wobei die Melasse vom Rohzucker getrennt wird und durch Seitenlöcher abläuft. Zum Schluss des Prozesses werden die Kristalle zur Reinigung mit Wasser besprüht. Das Endprodukt ist ein Zucker, der hellbraun ist weil er immer noch von einer feinen Melasseschicht belegt ist. Der Zucker könnte nun weiter raffiniert werden bis er ganz weiss ist - dadurch verliert er allerdings immer mehr an Geschmack. Im Unterschied zum Rübenzucker muss Rohrzucker aber nicht weiter raffiniert werden: Die Melasse des Rübenzuckers ist zu stark, um gegessen zu werden, die Melasseanteile beim Rohrzucker indes verleihen ihm seinen ganzen Geschmack.
Aus einer Tonne Zuckerrohr lassen sich etwa 140-160 kg Zucker gewinnen. Die Melasse, dieser zähflüssige braune Sirup wird zu einem kleineren Teil in der Patisserie verwendet - zum grössten Teil wird daraus Rum gebrannt. Die bagasse (der Pressrückstand) wird zur Beheizung der Kochkessel benutzt, alle anderen Abfälle ergeben einen hervorragenden Kompost für die Zuckerrohrfelder.


Die Geschichte des Rums

Wie bei vielen Spirituosen liegen auch beim Rum die Ursprünge im Dunkeln. Schon in vorchristlicher Zeit soll es in Indien ein alkoholisches Getränk gegeben haben, das aus Zuckerrohr hergestellt wurde. Der Rum aber, wie wir ihn heute kennen, ist ein Produkt der Karibik und der Nordküste Südamerikas.
Vermutlich waren es holländische Siedler, die Anfang des 17. Jh. auf den Antillen als Erste einen Brand aus Zuckerrohr herstellten - sie konnten dabei auf ihre Erfahrung mit dem Genever (Wacholderschnaps) aufbauen. Mit der Zeit setzte sich dieses Zuckerrohrdestillat auch auf den anderen karibischen Inseln und den nördlichen Küstengebieten von Südamerika durch.
Jean-Baptiste Du Tertre beschreibt 1671 «les cannes à sucre» und schildert, wie man Rum in den Antillen herstellt (damals noch ausschliesslich aus Zuckerrohrsaft), welche Effekte das Getränk hat und wie beliebt es ist: «Les écumes des secondes et troisième chaudières et tout ce qui se répand en le remuant, tombent sur le glacis des fourneaux, et coulent dans un canot où elles sont réservés pour faire l'eau-de-vie. [...] les nègres en font des boissons qui enivrent et dont on a un assez bon dépit dans les îles». Auch zu Zeiten von Jean-Baptiste Labat (Anfang des 18. Jahrhunderts) erfreut sich Rum in den Antillen grosser Beliebtheit - und eines schlechten Rufes: «[Pour] les Sauvages, les Nègres, les petits habitants et les gens de métier [il] suffit que cette liqueur soit forte, violente et à bon marché».
Herstellungsart und Geschmacksnoten der Rums waren damals auf den einzelnen Inseln wohl so unterschiedlich wie die Namen der Produkte: Guildhive, Taiffa, Aguardiente di Cana etc. Den Namen Rum dürften diesem Brand, so nimmt man an, später englische Seeleute gegeben haben - in Abwandlung von Rumbuilllon einer kreolischen Verballhornung für Rebellion (Aufruhr). Andere Sprachwissenschafter glauben, das Wort Rum leite sich vom malaiischen Brum ab, einem Likör aus vergorenem Zuckerrohrsaft. Ditte Rumforscher meinen, Rum käme von rheuma, was auf Altgriechisch fliessen heisst. Und wieder andere vertreten die These, das Wort Rum sei die isolierte Endsilbe von Saccharum, dem lateinischen Wort für Zucker.
Wann auf Santa Lemusa der erste Rum gebrannt wurde, lässt sich nicht genau sagen. Vermutlich aber dürfte die Insel wie die übrigen Antillen schon im 17. Jahrhundert mit dem Getränk vertraut gewesen sein. Dekolaj gibt als Datum für die Firmengründung das Jahr 1749 an und feierte im Jahr 1999 seinen 250 Geburtstag.



Bis vor wenigen Jahren noch traf man rund um das Fabrikgelände von Dekolaj - sikri épi distilri auf Warnschilder dieser Art. (Bild APAL/Archives)



Der Rum und die Seefahrt

Die Geschichte des Rums ist von Beginn an eng mit der Geschichte der Seefahrt verbunden. Schon die Flibustiers, die Freibeuter und Seeräuber, die im 17. und 18. Jahrhundert die Karibik unsicher machten, soffen mit Leidenschaft - auch Schmuggler und Sklavenhändler waren bekannt für ihren Hang zu Flasche. Ein besonders inniges Verhältnis zum Rum aber hatte Britanniens Royal Navy. Begonnen hat das mit dem englischen Staatsmann und Lord Protector Oliver Cromwell (1599-1658): Im Kampf um die Vorherrschaft auf den Meeren, erteilte er der englischen Flotte den Befehl, das spanische Imperium in Westindien anzugreifen. So kamen die Seeleute seiner Majestät anlässlich der Eroberung von Jamaika im Jahre 1655 zum ersten Mal mit jenem hochprozentigen Getränk in Berührung, welches damals noch keinen einheitlichen Namen hatte.
Die ersten einschlägigen Erfahrungen mit dem späteren Seelentröster aller Seemänner machte Admiral Pen, als er Jamaika für die Krone Englands in Besitz nahm: Seine Matrosen sprachen dem frisch gebrannten Schnaps aus Zuckerrohr so reichlich zu, dass man sie fortan die Kill devils nannte - in ihrem Suff waren sie nämlich bereit, es selbst mit dem Teufel aufzunehmen. Ihnen dürfte vielleicht auch der Name Rum für diese Spirituose zu verdanken sein, in Abwandlung von Rumbuilllon einer kreolischen Verballhornung für Rebellion (zur Etymologie siehe weiter oben). Admiral Pen ersetzte darauf für seine Flotte die damals übliche Ration von einer Gallone Bier (4.5 Liter) durch einen Pint Rum (0.568 Liter). Wie weise diese Entscheidung war zeigte sich bald, denn nur kurze Zeit später bestand die neue “Tagesration” eine besondere Bewährungsprobe: Wegen dem Klima und einer anhaltenden Flaute verfaulte das Wasser in den Fässer - dennoch blieb die erwartete Seuche aus, die Männer hatten sich mit Rum sozusagen immunisiert. Daraufhin beeilte sich die Admiralität, den Rumausschank im Jahre 1731 für die gesamte britische Marine einzuführen. - Dass Rum zur damaligen Zeit auch als Desinfektionsmittel der besonderen Art gebraucht wurde, zeigt das Beispiel von Admiral Nelson: Rumliebhaber zu Lebzeiten soll er nach seinem Heldentod in der siegreichen Schlacht bei Trafalgar (1805) in einem mit Rum gefüllten Sarg in seinen Heimathafen zurückgebracht worden sein.
Die britische Verordnung über den einheitlichen Rumausschank auf den Schiffen seiner Majestät hielt nicht lange an: Wegen der im 18. Jahrhundert oft sehr langen Kriegsfahrten wurde der Rum häufig zu knapp, um noch pur in der vorgegebenen Menge ausgeschenkt werden zu können. Deshalb erliess Admiral Edward Vernon 1740 in seiner berühmten Order to Captains No 329_ den Befehl, dass die Rum-Ration halbiert und dafür mit einem Quart Wasser gemischt werden müsse - eine Order, die bald für die ganze Royal Navy galt.
Diese Neuerung brachte vor allem die Westindienflotte an den Rand der Meuterei, denn die Kehlen dieser Seeleute waren das Hochprozentige der Inseln gewohnt - und was ihnen die Admiralität da vorsetzen wollte, das war für sie bloss «Wasser mit Rumgeschmack». Vernons Verordnung aber verdanken wir heute eine der bekanntesten Mischungen mit Rum, den Grog: Der legendäre Admiral gab nämlich wegen der Unzufriedenheit der Matrosen den Zusatzbefehl, den Rum mit heissem Wasser und Zucker zu mischen - das schmecke gut, er habe es selbst probiert. Da Admiral Vernon ob seines Bootsmantels aus grobem Kamelhaarstoff gerne Old Grogram genannt wurde, bürgerte sich für diese neu verordnete Mischung das Wort Grog ein - und so wurde er zum Namensgeber des wohl bekanntesten Seemannstrunks.



Dekolaj - das ist der Name, der auf Santa Lemusa für alles steht, was mit Zucker zu tun hat: von der kann-la bis zum wonm (vom Rohr bis zum Rum). Die Firma Dekolaj - sikri épi distilri mit ihren rund 30 Angestellten verfügt über eigene Felder - diese werden pyès kann oder bitasyon (wohl von französisch habitation) genannt, was daran erinnert, dass einst Sklaven wie Herren im Umfeld der Zuckerrohrplantagen wohnten. Dekolaj stellt in ihrer sikri (französisch sucrerie, Zuckerfabrik) verschiedene Zuckersorten sowie Bonbons etc. her und brennt in ihrer distilri a wonm verschiedene Typen Rum.
Dekolaj kommt entweder von französisch décolage (Abheben, Start) oder von décollage (Entkleben). On dekolaj nennt man auf Santa Lemusa das erste Glas Rum, das man am Tage trinkt. Jenes Glas also, mit dem man “startet” - oder aber jenes Glas, das einem den Mund öffnet, die Zähne “entklebt”. Früher gab es on dekolaj schon früh am Morgen - heute wird meist erst der Abend mit on sèk, einem Glas Rum ohne Zucker, Sirup oder Eis eröffnet. Auch wenn es eine schier unendliche Vielzahl von Drinks gibt, die in der Karibik gemischt werden, die Bewohner von Santa Lemusa trinken ihren Rum am liebsten pur, also eben on sèk oder auch on pétépyé (was auf französisch soviel heisst wie un coup à se faire péter les pieds, also ein Schluck, der einen umhaut). Wenn nötig, kann man auf dieses Glas puren Rums on amortisè folgen lassen, ein Glas Wasser oder Kalpariksaft, das den Effekt des on sèk amortisiert.



Das Wappentier der Firma Dekolaj ist die Seemöwe. Auf den Labels und in der Werbung kommen deshalb immer wieder Bilder von Möwen vor. Für das Jahr 2000 realisierte Dekolaj einen ganzen Kalender mit Photographien von Seemöwen, der an die Kunden verschenkt wurde. (Bild aus dem erwähnten Kalender von Dekolaj)


Sik (Zucker) - Importe

Dekolaj - sikri épi distilri stellt eine Vielzahl von Zuckersorten her, die sich vor allem durch die unterschiedlichen Melasse-Anteile unterscheiden. Es ist die Art und Dauer des Kochens sowie des Zentrifugierens, die über die Melasse-Anteile entscheidet. Hoio importiert zwei geschmacklich besonders interessante Sorten Zucker en gros und packt sie in der Schweiz für den Detailhandel ab. Beide Sorten sind mit jenen Zuckerarten vergleichbar, die man gelegentlich im Handel auch unter Bezeichnungen wie Muscovado sugar, Moist sugar oder auch Barbados sugar findet.

Wonm (Rum) - Importe

Dekolaj produziert in seiner distilri eine ganze Reihe von verschiedenen Sorten Rum, die sich aber prinzipiell in zwei Kategorien einteilen lassen: Wonm Batri oder kurz Batri wird aus Melasse hergestellt, Wonm Agricole wird aus frischem Zuckerrohrsaft produziert. Auf Santa Lemusa wird Batri hauptsächlich für die Küche verwendet - getrunken, vor allem wenn es um on sèk geht, wird eigentlich nur Wonm Agricole.
Der Grundstoff für Wonm Batri ist die Melasse, die als Nebenprodukt bei der Zuckergewinnung anfällt. Die dickflüssige Melasse wird zunächst mit Wasser verdünnt, dann werden Tjim und Paratte zugesetzt. Tjim ist ein Schaum, der sich bei der Zuckererzeugung bildet und für das spätere Rumaroma wichtig ist. Paratte nennt man einen Rückstand aus früheren Gärprozessen, der Säuren enthält, aus denen die sogenannten Ester entstehen. Diese sind für die Bildung des Rumgeschmackes ausschlaggebend. Diese Mischung aus Melasse, Wasser, Tjim und Paratte ergibt die Maische, deren genaue Zusammensetzung den Geschmack des Endproduktes bestimmt. Auf Grund der vielen Möglichkeiten, diese Maische zu mischen und geheime Aromaspender wie Säfte, Rinden oder Blätter beizugeben, gilt Rum als die vielseitigste Spirituose der Welt. Diese Maische wird nun in grossen Holzbottichen mit ausgesuchten Hefestämmen zur Gärung gebracht. Dabei wird der Zucker in Alkohol und Kohlendioxid gespalten.
Im Unterschied zu Wonm Batri wird Wonm Agricole aus frischen Zuckerrohrsaft hergestellt, der nach dem Pressen sofort vergoren wird.
Nach der Vergärung wird ein Teil des Rums in uralten Destillationssäulen aus Kupfer destilliert, wobei ein heller, einfach destillierter Rum (in der vom Englischen dominierten Fachsprache heisst das single distilled rum) entsteht. Der übrige Rum wird in Destillierapparaten ebenfalls aus Kupfer mehrfach destilliert, bis aus ihm der aromatische Wonm komen entsteht. Weisser Rum wird ausschliesslich aus dem einfach destillierten Rum der Destillationssäulen hergestellt. Brauner Rum ist ein Verschnitt aus beiden Destillaten.
Nach der Destillation wird der Rum in der Regel mit Wasser auf eine Trinkstärke von 40 bis 50 Prozent herabgesetzt und dann in Eichenfässern gereift - ein Prozess, der je nach Qualität zwischen ein paar Monaten und bis zu 10 Jahren oder länger dauern kann. Für die Reifung von Batri werden auf Santa Lemusa gebrauchte amerikanische Bourbonfässer verwendet, Wonm Agricole reift in gebrauchten Cognac- oder Armagnacfässer aus französischer Limousin-Eiche. In dem heissen und feuchten Klima der Tropen reift der Rum zwei bis drei Mal schneller als ein Cognac in Frankreich und sogar vier bis fünf Mal schneller als ein Whisky in Schottland. Allerdings ist auch der Engelsanteil (Schwund durch Verdunstung) höher: acht bis zwölf Prozent pro Jahr. Die Reifezeit bestimmt die Färbung, die Aromen und die Weichheit des Rums.
Batri-Rums haben ein leichtes, teilweise sogar recht intensives Aroma und sind im Geschmack runder und gefälliger als die Rums aus frischem Zuckerrohr (Wonm Agricole), welche ein frischeres, fruchtigeres Aroma haben, dass auch bei langer Lagerung erhalten bleibt.
Obwohl auf Santa Lemusa Rum aus Melasse hauptsächlich für die Küche verwendet wird, erzielt Dekolaj durch sorgfältige Reifung und geschicktes Verschneiden durchaus auch einzelne Sorten von Batri, die sich ausgezeichnet für on sèk eignen und vom Geschmack her an einen weichen, gut ausgebauten Brandy erinnern. (Der Name Batri für diesen Rum aus Melasse leitet sich von der kreolischen Bezeichnung für Melasse her: siwo batri.) HOIO importiert zur Zeit drei Sorten Rum und füllt sie in der Schweiz für den Detailhandel ab.

Kanklè
Kanklè ist ein feinkörniger Zucker mit einer dunkelgoldenen Farbe, die von den in den ganzen Kristallen abgelagerten Molasse-Anteilen herrührt. Die Kristalle dieses Zuckers, der aus dunklem Sirup hergestellt wird, sind wesentlicher weicher als die herkömmlicher Zuckersorten. Kanklè hat einen intensiven, an Honig erinnernden Geruch und einen mittelsüssen Geschmack. In der Küche von Santa Lemusa wird Kanklè hauptsächlich für das Süssen von Getränken sowie für Früchtekuchen oder Cremes benützt. Der kreolische Name Kanklè bedeutet soviel wie helles Rohr (von kan, französisch canne und klè, französisch clair).


Bozan
Bozan hat ein dunkelbraune, fast schon schwarze Farbe, die daher rührt, dass die Kristalle von reichlich Melasse durchzogen sind. Bozan wird aus einem dunklem Sirup hergestellt und hat eine weiche, ein wenig klebrige Textur. Sein Geschmack ist mittelsüss bis ein wenig herb, sein Geruch ist intensiv und erinnert an den von Schokoladetrüffeln, die in mit einer dunkelgoldenen Farbe, die von den in den ganzen Kristallen abgelagerten Molasse-Anteilen herrührt. Die Kristalle dieses Zuckers, der aus dunklem Sirup der Wärme ganz leicht weich geworden sind. In der Küche von Santa Lemusa wird Bozan nicht nur für Süssspeisen wie Früchtekuchen etc. verwendet, sondern auch für Marinaden und Fleischgerichte. Der Name Bozan ist wohl eine Verkürzung des Wortes Bozanbo - der auf Santa Lemusa gängigen Bezeichnung für einen Menschen mit einer sehr dunklen Hautfarbe.
Fiol
Fiol ist ein brauner Batri-Rum - ein Verschnitt aus einfach destilliertem und mehrfach gebranntem Melasse-Rum. Er hat einen Geruch, der an Wassermelonen-Bonbons erinnert und eignet sich hervorragend für die Küche, für Drinks sowie zum Flambieren. Das kreolische Wort Fiòl bedeutet schlicht Fläschchen.


Kokozyé
Kokozyé ist ein weisser Batri-Rum, der aus einfach destillierter Melasse entsteht. Er eignet sich ausgezeichnet vor allem für viele Drinks und auch für die Küche. Er hat ein leichtes und eher fruchtiges Aroma und einen mittelscharfen Geschmack. Der hübsche Name dieses Rums geht auf die gleichnamige kreolische Bezeichnung Kokozyé für das französische blanc d'oeil, also das Weiss der Augen zurück.


Drivayè
Drivayè ist ein brauner Wonm Agricole und eines der Spitzenerzeugnisse von Dekolaj. Ein Verschnitt aus einfach destilliertem und mehrfach gebranntem Rum aus frischem Zuckerrohrsaft. Er wird mindestens zehn Jahre in gebrauchten Cognacfässern aus französischer Limousin-Eiche ausgebaut und nach Jahrgängen abgefüllt. Er hat ein komplexes Aroma mit einer stark fruchtigen Note und sollte bei Zimmertemperatur aus bauchigen Gläsern genossen werden. Drivayé ist die kreolische Bezeichnung für einen Flaneur.




An noumenm!




À la nôtre! A notre santé! Auf unser Wohl!