Anselm Stalder
* 1956, lebt in Basel

Anselm Stalder arbeitet gattungs-, stil- und medienübergreifend. Er pflegt die traditionellen handwerklichen Verfahren der Malerei, der Bildhauerei, der Druckgrafik und arbeitet parallel mit den modernen Massenmedien Fotografie, Video und Computer. Er bezieht Schrift, Sprache und Ton in seine Arbeiten mit ein. Es entstehen sowohl Zeichnungen und Tafelbilder für den privaten Raum als auch Installationen für den Museumskontext und Arbeiten für den städtischen und ländlichen Aussenraum.

In Amden zeigte der Künstler auf drei Gaden aus Aluminium gefertigte Projektionsflächen, die den Betrachter wie blinde Spiegel sowohl auf seine inneren Bilder zurückwarfen als auch auf die umgebende Landschaft verwiesen. Während die erste, in der Art eines Haussegens permanent auf die Stirnseite eines Stalles installierte Tafel an alpines Brauchtum erinnert, evozierte die zweite Arbeit im Zand durch das Plakatformat einen städtischen, ortsfremden Zusammenhang. Unterhalb des Faren, wo der Maler Otto Meyer-Amden bis 1928 lebte, traf man auf die dritte, quadratische Tafel, die wie ein Schutzschild auf dem schon von weitem sichtbaren Gaden angebracht war. Von dort aus blickte man auf See, Himmelskuppel und Kerenzerberge. Die Arbeit visualisierte die exponierte Südlage des Gebäudes, das einen Rinderstall und einen Heuspeicher im Obergeschoss umfasst, und machte dadurch die Weite und Erhabenheit der Landschaft bewusst.

Zentrale künstlerische Verfahren des Künstlers sind Umgestaltung, Vervielfältigung und Weiterentwicklung vorgefundener und eigener innerer Bilder, Figurationen und Ideen. Die künstlerische Produktion ist ein generatives Kontinuum innerhalb verschiedener, parallel bearbeiteter Themenbereiche, wobei den Künstler insbesondere die unterschiedlichen Formen und Funktionen von Wahrnehmung und deren bildnerische Umsetzung interessieren. Er weiss um den Anteil des Verhüllten, Verborgenen, Versteckten oder sogar Verbotenen im Sichtbaren. Anselm Stalder versteht künstlerische Arbeit als einen Prozess, in dessen Verlauf das Spektrum möglicher Lösungen nicht etwa eingeschränkt, sondern wenn möglich erweitert wird. Er blickt zurück, arbeitet aber doch explizit an einem offenen Horizont. Das ist schwierig, nicht nur für uns Betrachter, sondern auch für den Künstler selbst. Er prägt keine Bildformeln. Anselm Stalder folgt weder der Logik des Marktes, die genau dies verlangen würde, noch befriedigt er die auf kollektive Unterhaltung ausgerichtete Zeitkultur, welche die auffallende Form begünstigt. Diese Distanz zur Business Art ist aber kein Statement gegen eine bestimmte Art von Kunst, sondern Folge einer äusserst ambitionierten Arbeit an Bildern, die der Komplexität der individuellen lebensweltlichen Erfahrung und der Vielschichtigkeit der Geschichte unserer Kunst und Kultur angemessen werden.

Text: Roman Kurzmeyer, 1999