Vanessa Safavi
* 1980, lebt in Berlin

Die feine und ergreifende Intervention von Vanessa Safavi in Amden schliesst an ihre Ausstellung I Wish Blue Could Be Water (2012) im CRAC Alsace in Altkirch (F) an. Eine der dort zu sehenden Installationen der Künstlerin trug den Titel Each Colour Is A Gift For You (2012) und umfasste 17 Vögel (Wellensittiche und Kanarienvögel), von denen die meisten auf dem Rücken liegend, einzeln oder in kleinen Gruppen im Winkel zwischen Boden und Wand ausgestellt waren. Zu sehen waren faszinierend schöne, allerdings leblose, für die Ausstellung präparierte Tierkörper von eindrücklicher Präsenz. Wellensittiche und Kanarienvögel sind exotische, ursprünglich wildlebende Vögel, die schon vor Jahrhunderten domestiziert wurden und seither auch fern ihrer Heimat gezüchtet und als Haustiere gehalten werden. Die Vögel sind im Westen schon lange heimisch geworden, leben hier aber bis heute nicht in der freien Natur, sondern in Volieren und Käfigen. Each Colour Is A Gift For You (2012) ist eine jener Arbeiten im Werk von Safavi, die Aspekte des Exotismus thematisieren, der in der westlichen Kultur seit dem 19. Jahrhundert einen hohen Stellenwert hat. Das Interesse der Künstlerin am Primitivismus, der Art Brut und dem Modernismus ist in demselben Zusammenhang zu sehen. Safavi spricht von einer Arbeit über das Unbewusste unserer Zivilisation. Sie greift auf diese Themen zurück, im Wissen darum, dass sich schon die Kunst der frühen Moderne mit ihnen befasst hatte. Eigentlich nur deshalb. Sie ist nicht an den Utopien und den Obsessionen der Moderne selbst interessiert, sondern an den verblassenden, uns fremd gewordenen Bildern dieser das 20. Jahrhundert als Epoche bestimmenden und erschütternden Ideen.

Wie schon in Altkirch verwendet Safavi auch für ihre Ausstellung am Walensee Vogelpräparate, um Fragen anzusprechen, die, in ihren eigenen Worten, von verfehlten Utopien handeln. In dieser Ausstellung sind es drei Papageien (Platycercus elegans oder Pennantsittich), die wiederum liegend ausgestellt sind, einer im Obergeschoss, auf der Heubühne des Weidgadens, die beiden anderen, symmetrisch aufeinander bezogen, auf dem schmutzigen Stallboden des Erdgeschosses. Der Pennantsittich stammt ursprünglich aus dem Osten Australiens, wo er die feuchten, hoch gelegenen Küstengebirge bewohnt. Er zählt zu den beliebten und leicht zu haltenden Vogelarten. Deutlicher als in Altkirch wird in dieser Installation die inhaltliche Ambivalenz der kardinalsrot und marienblau gefiederten Vogelkörper thematisiert. Zu sehen sind Vogelpräparate – für diese Ausstellung erarbeitet vom bekannten Tierpräparator Christian Schneiter –, die, wie die Künstlerin betont, den Vogel in einem artifiziellen Zustand der Inaktivität darstellen. Es ist dieser offene Zustand zwischen Schlaf, Ruhe und Tod, in dem die Zuchtvögel gezeigt werden, der in Verbindung mit dem Thema des Fremden, Wilden und Freien erst ermöglicht, nach der Bedeutung und dem Sinn dieser aus Tierkörpern gebildeten Installation zu fragen. Fotografien der Ausstellung vermögen in diesem Fall nicht wiederzugeben, was vor Ort zu sehen und zu erfahren war und welche Erzählungen evoziert werden, weil Aspekte, die an Stillleben erinnern, zu viel Aufmerksamkeit erhalten. Nicht zuletzt liegt dies am Ausstellungsort selbst, der vor langer Zeit für die Unterbringung von Tieren gebaut worden war, der sichtbar belassenen Spuren dieser ehemaligen Nutzung, sowie der Landschaft, welche Teil der Installation ist. Ein Luftzug bewegt die herumliegenden Strohhalme, das einfallende Sonnenlicht bringt die intensiven Farben des Vogelgefieders zum Leuchten. Die Landschaft über dem Walensee erscheint für einen Augenblick als möglicher Lebensort dieser Vögel: Als ob sich die Papageien, eigentlich nur mehr die Bilder ihrer selbst, eben erst hierher verirrt hätten. In dieser Fiktionalisierung einer realen Situation sehe ich die von Safavi in einem Gespräch erwähnte Verwandtschaft dieser Arbeit mit der Installation Untilled (2011-12) von Pierre Huyghe an der dOCUMENTA (13) in Kassel und der Performance Catching octopus with self-made ceramic pots (2003) von Shimabuku. Man kann nicht mit Sicherheit behaupten, die Papageien seien hier fehl am Platz, fremd vor Ort.

Text: Roman Kurzmeyer, 2013