Elizabeth Wright
* 1964, lebt in London

Im Jahre 2003, anlässlich der ersten Ausstellung von Elizabeth Wright in Amden, war die Installation „Hochhaus“ (2003) zu sehen, welche sich mit der Urbanität dieser Berggemeinde mit eigenem Autobahnanschluss im Grossraum Zürich befasste. Die Ausstellung fand in einem der für diese Gegend typischen traditionellen Gaden statt. Wright beschäftigte sich mit den unterschiedlichen Dimensionen von Haus und Landschaft und realisierte eine Arbeit, welche sowohl die Lage des Gebäudes auf einer Waldlichtung hoch über dem Walensee behandelte als auch berücksichtigte, dass die Besucher von aussen, nach einer Bergwanderung in der offenen und weiträumigen Landschaft der Amdener Mulde, in kleine, dunkle Räume ohne künstliches Licht eintreten. Wer die zweigeschossigen Scheune betrat, traf auf die Bezeichnung «183. Etage» oder «184. Etage». Die Kombination von exponierter Lage und vermuteter momentaner Desorientierung beim Betreten der dunklen Räume erfuhr in dieser Arbeit im Bild und der Erfahrung des sich in einem Hochhaus vor dem Fahrgast öffnenden Lifts eine zeitgenössische Übersetzung.

Elizabeth Wright wurde 1964 in London geboren, wo sie bis heute mit ihrer Familie lebt. Sie studierte am Royal College of Art in London (1987-1990). Kennengelernt habe ich sie 1992, als sie in London zusammen mit Giorgio Sadotti in ihrem Atelier den Ausstellungsraum Modern Art führte. Wright kopierte damals in leicht verändertem Massstab weitverbreitete, unauffällige Dinge, die ihr dennoch irgendwo aufgefallen waren und sich ihr eingeprägt hatten. Sie verkleinerte oder vergrösserte in Handarbeit nach fotografischen Vorlagen Möbel, Kleidungsstücke, Bücher und weitere Alltagsgegenstände oder kopierte Spuren, welche bremsende Fahrzeuge auf der Fahrbahn zurückgelassen haben. In der Schweiz waren schon verschiedentlich Arbeiten der Künstlerin zu sehen: 1997 war sie mit Plastiken in der Ausstellung «Drei Zimmer für Julie Bondeli» in der Galerie Friedrich in Bern vertreten. 1998 zeigte sie auf dem Gehsteig vor der Kunsthalle Bern «Stolen Bicycle», ein verbogenes, am Boden liegendes Fahrradrad, angekettet an der Abschrankung zum Helvetiaplatz. Wer der Erscheinungsform des vergrösserten Rades vertraute, für den wurde die Vergrösserung zum Massstab der Realität. Das Rad bestimmte einen Ort, um dem herum sich eine Spielzeugwelt aufbaute und bewegte.

Die Ausstellung «EOS 100 (Amden)» war ein Projekt, das sich mit der fotografischen Wahrnehmung von Landschaft befasste, ohne dass dabei Fotografien entstanden wären. Seit dem Siegeszug der Digitalkamera und der Bilderflut, die seither unablässig über uns hereinbricht, hat das Thema der technischen Reproduzierbarkeit neue Aktualität erhalten. Künstler suchen wieder vermehrt nach Alternativen zum technischen Sehen. Elizabeth Wright stellte auf einem Stativ den Abguss einer Canon EOS 100 aus, deren ebenfalls reproduziertes Objektiv die Künstlerin im Unterschied zur Kamera wie ein Organ gestaltet hat. Es sind die phallischen Eigenschaften des Kameraobjektivs, welche durch diese plastische Manipulation betont werden. Die im offenen Feld gegenüber den Kerenzerbergen aufgebaute Kamera war nicht mehr lediglich ein Apparat, sondern wurde selbst zu einem Bild.

Text: Roman Kurzmeyer, 2010