Pawel Althamer
* 1967, lebt in Warschau

Fragen der Kontextualität und damit auch die Thematisierung der Grenzen der Kunst haben im Werk von Pawel Althamer einen wichtigen Stellenwert. 1991 beispielsweise setzte er sich bei eisiger Kälte in einem selbstgemachten weissen Kleid ohne jede Öffnung für Gesicht und Hände auf ein schneebedecktes Feld. Er trug unter der weissen Verpackung warme Kleidung und liess sich zusätzlich mit Zeitungen ausstopfen. Er blieb während vieler Stunden so bewegungslos wie nur möglich auf dem Feld sitzen und hörte den Spaziergängern zu. Er folgte ihren Gesprächen, hörte Kommentare über den Schneemann, als den ihn die Spaziergänger wahrnahmen, und beobachtete die Veränderungen seiner Sinneswahrnehmungen. Ausschlaggebend für die Einladung nach Amden war eine Arbeit, die Althamer im Jahr 2000 in einem armen Stadtteil im Osten von Warschau realisierte. Pawel Althamer wohnte in einem der riesigen Wohnblocks, die für diese Gegend charakteristisch sind. Seine Idee war, die Zahl 2000 mittels Licht auf die Fassade eines Hauses zu schreiben. Dies bedingte die Mitarbeit von ungefähr 200 Familien, die zuvor alle eine schriftliche Anleitung erhalten hatten, wann das Licht in welchem Zimmer ein- und auszuschalten sei.

Die Aktion dauerte ungefähr eine halbe Stunde und entwickelte sich zu einem Event, an dem ungefähr 3'000 Menschen teilnahmen, von denen die meisten im Quartier wohnten. Das Publikum setzte sich mehrheitlich aus Menschen zusammen, die sich nicht um zeitgenössische Kunst kümmern. Der Künstler liess Informationsmaterial verteilen. Politiker und Aktivisten nutzen die Gelegenheit, um Reden zu halten und auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Es gab freies Essen. Es wurde musiziert und getanzt. Die Medien berichteten über die Aktion und in diesem Zusammenhang auch über die Situation der Menschen, die in diesem Quartier leben. Die Arbeit ist ein ausgezeichnetes Beispiel für das, was der Künstler «die Wirklichkeit lenken» nennt, handelte es sich doch gleichzeitig um eine Performance, um Kunst im öffentlichen Raum, um ein Happening, um ein Bild, um eine Ausstellung und um eine politische Aktion.

Text: Roman Kurzmeyer, 2001

Download Pdf: Philipp Kaisers Artikel «Weronika» zu Althamers Installation in Amden

Erschienen in: Kunst-Bulletin, September 2001